Eine neue wissenschaftliche Studie des ECONICS Institute zeigt, dass nicht nur die Großstädte in Deutschland Hitze-Hotspots sind, sondern dass es mittlerweile ausgedehnte Hitzelandschaften gibt. In Partnerschaft mit dem NABU wurde nun der »Grün-Feucht-Kühl-Index« für Deutschland vorgestellt, der verdeutlicht, dass die Landbedeckung einen wesentlichen Einfluss auf die Oberflächentemperatur und die Niederschlagsmenge hat. Die sich wechselseitig beeinflussende Dreiecksbeziehung zwischen Grünheit, relativ kühlen Temperaturen und Feuchtigkeit reflektiert die Leistungsfähigkeit der Landschaften und ihre Zukunftsfähigkeit im Klimawandel. Vegetation verbessert den Rückhalt von Wasser, gibt es über Verdunstung wieder an die Luft ab und kühlt so die Umgebung. Gleichzeitig fördern diese Prozesse Niederschläge. Wo Bäume, Hecken, Wiesen fehlen, trocknen Böden aus, heizen sich auf. Es entstehen regelrechte Hitzelandschaften.
»Zwischen den Bundesländern und einzelnen Landschaften zeigen sich starke Unterschiede«, erklärt Studienleiter Prof. Pierre Ibisch. »Zu den kritischen Regionen gehören etwa weite Teile Sachsen-Anhalts und das Thüringer Becken, Franken in Bayern sowie das Rhein-Main-Gebiet. Überdurchschnittlich grün und kühl sind erwartungsgemäß bewaldete Bergregionen wie Bayerischer Wald, Schwarzwald, Spessart oder Pfälzer Wald – aber nur, solange die Wälder vital sind. Im Sauerland, Siegerland oder Harz ging mit dem Absterben der Fichtenforste zusehends auch die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme zurück.«
Mit Hilfe von hochaufgelösten Daten zur Grünheit der Vegetation, zu den Oberflächentemperaturen und zum Niederschlag sowie zusätzlichen Parametern konnten die Wechselwirkungen von Vegetationszustand, Temperatur und Niederschlag mittels statistischen Modellen nachgewiesen werden. Zum Einsatz kamen dabei unter anderem frei verfügbare Satellitenbilddaten für das gesamte Bundesgebiet. Untersucht wurden die Jahre 2018 bis 2024, also einschließlich der Periode miteinander verkoppelter Witterungsextreme und der fünf wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (2020, 2018, 2022, 2023, 2024).
Die Wissenschaftler:innen und der NABU sind sich einig, dass die Erkenntnisse in der Praxis genutzt werden können. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger betont: »Die Studie macht deutlich, wie stark die Leistungen sind, die intakte Ökosysteme erbringen und zeigt auf, welche Potenziale regionale Veränderungen haben: Wenn wir zum Beispiel mehr auf Methoden der regenerativen Landwirtschaft setzen – durch dauerhafte Bodenbedeckung, die Förderung von Agroforstsystemen oder Hecken – können wir die Region insgesamt kühlen und feuchter halten. Und dort, wo Natur noch intakt ist, sollten wir alles dafür tun, sie zu stabilisieren, beispielsweise durch die Förderung von Laub- und Mischwäldern und Schwammlandschaften. Durch diese Maßnahmen halten wir das Wasser in der Landschaft.«
Die Ergebnisse der Studie sind auf großes mediales Interesse getoßen. Für zdf heute hat sich Prof. Ibisch mit Katrin Lindner im Grumsiner Buchenwald im Norden Brandenburgs getroffen. Hier wird spürbar: die dichte Vegetation und die damit einhergehenden hohen Verdunstungsraten sorgen für realtiv kühle Temperaturen im Wald – auch in Hitzeperioden. Die direkt angrenzenden Agrarflächen heizen sich an heißen Tagen dagegen um bis zu 10°C stärker auf. Der ganze Beitrag ist hier zu sehen:
Auch im Deutschlandfunk wurde die Studie besprochen. Hier erklären Prof. Ibisch und Andreas Krüger vom NABU, wie intensive Landnutzung – oft in Verkopplung mit städtischen Räumen – regelrechte Hitze- und Trockenheitslandschaften entstehen lassen. Diese Regionen seien nicht besonders heiß, weil es so wenig regnet, sondern es regnet so wenig, weil die Landschaften nicht grün genug sind. Das ganze Gespräch gibt es hier:
Die Zeit macht deutlich, dass der Landwirtschaft ein ähnliches Umdenken, wie der Stadtplanung bevorsteht. Denn ausgerechnet Felder mit guten Böden, die eine besondere wirtschaftliche Bedeutung haben, sind Prof. Pierre Ibisch zufolge am verletzlichsten: »Die Landflächen, die unter bestimmten Rahmenbedingungen produktiv waren, gehen uns gerade sehr schnell verloren«. Doch ein Bewusstsein dafür, dass auch Agrarlandschaften unter Hitze leiden, könnte zum Wendepunkt werden. Handlungsspielraum besteht: vielfältige Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, Hecken und Agroforste können helfen, das Mikroklima zu regulieren. Durchmischung wie in der Stadt, nur eben auf pflanzliche Art.