Im Rahmen einer Veranstaltung des Landesarbeitskreises Baum beim
BUND Sachsen-Anhalt (>>
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Prof. Dr. Pierre Ibisch statt. Der Biologe und Ökologe ist Professor für Sozialökologie der Waldökosysteme an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und Vorsitzender des neu gegründeten
Econics Institute e. V.. In seinem Vortrag zeigte er eindringlich, warum Wälder in Zeiten von Klimakrise und Biodiversitätsverlust nicht nur ein bisschen ökologischer und ein bisschen sozialer, sondern sozialökologisch gedacht werden müssen.
Prof. Ibisch machte deutlich, wie stark die Wälder in Deutschland unter Druck stehen – unter anderem in den Mittelgebirgen. Monotone Koniferenbestände und großflächige Kahlschläge heizen sich bei sommerlicher Hitze deutlich stärker auf als naturnahe Laub- und Mischwälder. Neben dem Temperaturanstieg leiden solche stark bewirtschafteten Flächen auch unter einem gestörten Wasserhaushalt: Die natürliche Speicherfähigkeit des Waldbodens geht verloren, die Vitalität nimmt ab. Satelliten- und Drohnenaufnahmen zeigen unmissverständlich, wie viel grüner, feuchter und gesünder weniger intensiv bewirtschaftete Wälder sind.
Auch der Blick auf urbane Räume wurde nicht ausgespart. Am Beispiel von Dessau-Roßlau wurde sichtbar, wie sehr sich Städte im Sommer aufheizen. Im Vergleich dazu bleiben naturnahe Laub- und Mischwälder deutlich kühler, selbst an heißen Sommertagen. Wälder übernehmen damit eine wichtige klimatische Ausgleichsfunktion und sind nicht nur ökologisch, sondern auch für das menschliche Wohlbefinden essenziell.
Sozialökologische Waldbewirtschaftung
Ein zentrales Anliegen des Vortrags war die Vorstellung des
sozialökologischen Ansatzes im Umgang mit Wald. Dieser versteht den Wald nicht nur als Rohstofflieferant, sondern als komplexes Ökosystem mit vielfältigen Leistungen für Gesellschaft. Ziel ist es, diese Leistungen zu fördern, zu erhalten und in der Bewirtschaftung zu berücksichtigen. Dafür braucht es ein Umdenken – weg von kurzfristiger Holzentnahme hin zu langfristiger Stabilität und Gemeinwohlorientierung. In diesem Kontext stellte Prof. Ibisch auch den neuen Bachelorstudiengang „Sozialökologisches Waldmanagement“ an der HNEE vor. Gemeinsam mit Prof. Dr. Katharina Löhr (Professur für sozialökologische Waldgovernance), Prof. Dr. Daniel Johnson (Professur für wertebasierte Waldökonomie), Christoph Nowicki (Studiengangskoordinator) und weitere Praxisakteuren wird hier eine neue Generation von Fachleuten ausgebildet. Der Studiengang verknüpft ökologische, ökonomische und soziale Perspektiven, um einen ganzheitlichen und zukunftsfähigen Umgang mit dem Wald zu ermöglichen. Ein weiteres Highlight des Vortrags war die Vorstellung des Econics Institute e.V., das sich der praktischen Umsetzung dieser Ideen verschrieben hat. Ziel des Instituts ist es, grüne, feuchte und kühle Ökosysteme zu fördern und konkrete Konzepte für eine sozialökologische Waldwende zu entwickeln.
In der anschließenden Fragerunde diskutierte Prof. Ibisch gemeinsam mit Birgit Rac vom BUND Sachsen-Anhalt mit dem Publikum, was zu einer sozialökologische Waldbewirtschaftung gehört. Die lebendige Gesprächsatmosphäre zeigte, wie groß das gesellschaftliche Interesse und der Wunsch nach echten Veränderungsprozessen sind. Im Vortrag und in der Diskussion ging es auf den Bedarf nach mehr Beteiligung, neuen Organisationsformen und praxisnaher Unterstützung für Waldbesitzende, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Es wurde gezeigt, wie wichtig es ist, die Grundsätze einer naturnahen, ökologischen und sozial verantwortlichen Waldbewirtschaftung weiterztragen – als Beitrag zu einem besseren Schutz unserer Bäume und Wälder und zu einem nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen.
Denn klar ist: Ohne funktionierende Wälder gibt es keine lebenswerte Zukunft.